Ornamente und Symmetrie: Wenn man sich mit dem Orient beschäftigt, ist eine erste Annäherung über die Kunstgeschichte ein angenehmer und faszinierender Zugang.
Die islamische Kunst entwickelte sich auf den Grundlagen vorangegangener Zivilisationen des Vorderen Orients. Im Laufe der Jahrhunderte bildeten sich in Anpassung an die Erfordernisse des Islam konstante Charakteristika heraus. Ableiten lassen sich diese aus der philosophischen und wissenschaftlichen Geisteshaltung des Islam. Die Philosophie Griechenlands, die Zunahme mathematischer und naturwissenschaftlicher Kenntnisse spielten eine Rolle, ebenso die Vorgaben aus den religiösen Schriften. Eine daraus hervorgegangene islamische Ästhetik findet man in allen vom Islam geprägten Regionen von Spanien hin bis zu Indien.
Der Geometrie wurde eine herausragende Stellung eingeräumt. Ab dem 10. Jahrhundert entwickelte sich eine komplexe geometrische Ornamentik, die man als wichtigste Dekorationsform für Bauten und Objekte vorfindet. Rein oder in Verbindung mit pflanzlicher oder kalligraphischer Ornamentik ließ sich die geometrische Ornamentik zur unbegrenzten Flächenverzierung nutzen. Mit dieser „Norm“ gelang es, Abbildungen, die die Wirklichkeit nachbilden, zu vermeiden. Eines der bekanntesten dekorativen Motive der islamischen Kunst ist der Stern mit seinen vielfachen Abwandlungen. Nicht nur auf Bauten, auf Keramiken, in Miniaturen, bei Holz- und Metallarbeiten war dieses Design beliebt; man sieht es auch auf Teppichen und Textilien.
In der osmanischen Periode der Türkei (14.-20.Jahrhundert) spielten Textilien eine große Rolle. Die Textilindustrie brachte dem osmanischen Staat enorme Steuereinnahmen und stand unter staatlicher Kontrolle. Im 16. Jahrhundert unter Sultan Süleyman I. (1520-1566) erlangte das Osmanische Reich seine größte Ausdehnung; auch die Textilindustrie hatte eine Blütezeit. In dieser Periode wurden Künstler engagiert, die im Palastatelier – nakkaşhane – Entwürfe anfertigten. Diese Entwürfe dienten als Vorlage; das Design wurde von ausgezeichneten Handwerkern in allen Bereichen der dekorativen Künste umgesetzt. Im 16. Jahrhundert hatte sich ein osmanischer Stil ausgebildet, der sich auch bei den prächtigen Kaftanen und Textilien aus der Sammlung des Topkapı Palasts (Topkapı Sarayı Müzesi) in Istanbul auf beeindruckende Weise zeigt. Dem mit Mehmed II. (1451-1481) beginnenden Brauch, die Kleidung eines verstorbenen Sultans eingeschlagen in ein Tuch – bohça – in der Schatzkammer zu verwahren, verdanken wir diese brillante Kollektion an Kleidungsstücken und Textilien.
Die Gestaltung der Stoffe orientierte sich mit dem vorgegebenen Stil, der Ornamentik und symmetrischen Anordnung der Motive an die traditionellen Prinzipien islamischer Ästhetik. Designelemente wie das Çintamani-Motiv, die Arabeske oder das Tulpenmotiv bestechen noch heute als Teil osmanisch- türkischer Identität in den Arbeiten zeitgenössischer türkischer Künstler.