Wie bunt ist das denn?

Bunter Dorfweiher – Ein Projekt des Münchner Vereins Kulturverstrickungen e.V.

Agnes Maria Forsthofer hat im kleinen bayerischen Ort Türkenfeld westlich von München eine Aktion initiiert, die nicht nur die Herzen der Kleinsten höher schlagen lässt. Wer sich inmitten des inzwischen alltäglichen Corona-Graus auch einmal eine Dosis Farbe genehmigen möchte, der ist hier – am Türkenfelder Dorfweiher – genau richtig.

Kulturverstrickungen Türkenfelder Dorfweiher

Kulturverstrickungen Türkenfelder Dorfweiher

In München kennt man den Verein Kulturverstrickungen e.V. und deren Gründerin Agnes Maria Forsthofer schon länger. Mit kreativen Aktionen bei vielen Veranstaltungen dabei zu sein, um mit den alten Kulturtechniken Nähen, Stricken und Häkeln Menschen zusammenzubringen – das ist das Ziel des Vereins.

Seit zwei Jahren wohnt Agnes Maria Forsthofer jetzt in Türkenfeld.  Sie sagt von sich, sie sei richtige Münchnerin. Ihre Erfahrungen aus den Projekten in München möchte sie nun auch in Türkenfeld einbringen, um das Gemeindeleben durch ungewöhnliche Aktionen zu bereichern. Man findet Agnes Maria Forsthofer in ihrem Laden, im Türkenfelder Kreativ-Platzl, in der Bahnhofstraße 5. Hierher lädt sie die Menschen zum kreativen Miteinander ein.

Kreatives Miteinander

Kreatives Miteinander

Sei es nun das Projekt Bunter Dorfweiher oder das Einrichten ihres Ladens – Agnes Maria Forsthofer lässt sich trotz der Corona-Krise so leicht nicht bremsen.

Ich habe mit ihr über den Verein Kulturverstrickungen e.V., dessen Aktionen und über ihre zukünftigen Projekte  gesprochen.

MM: Du bist die Vorsitzende des Vereins Kulturverstrickungen e.V.?

AF: Ja genau, den habe ich gegründet. 2011 haben wir angefangen. Soll ich die Geschichte erzählen, warum das so passiert ist?

MM: Ja.

AF: Ich habe mich vorher um Linkshänder gekümmert. Ich habe eigentlich einen Verein gegründet: den Linkshänder e.V., den es aber nicht mehr gibt, und habe 14 Jahre lang am Marienplatz einen Christkindlmarkt-Stand gehabt und auf der Auer Dult, und habe da Linkshänder-Artikel angeboten. Dann war die Idee, dass ja Frauen auf der Welt anders stricken wie wir in Deutschland. Und dann war die Idee: Wir machen im Feierwerk in München einen Kurs am Samstagnachmittag, wo wir Frauen einladen, so Multikulti-Frauen, die uns zeigen sollen, wie sie stricken. Der Witz ist ja, die stricken zwar anders, aber wir kommen immer auf eine rechte und eine linke Masche. Das war so die Verknüpfung, und dann haben wir für das Projekt einen Namen gesucht. Und dann war klar: Das Projekt heißt Kulturverstrickungen. Und irgendwann haben dann die Leute die Kulturverstrickungen, die Linkshänder, die Geflüchteten und das Handarbeiten irgendwie nicht in eins eingebracht, und dann haben wir gesagt: Gut, wir gründen jetzt einen eigenen Verein. Das war dann eben die Kulturverstrickungen e.V. So haben wir angefangen.

MM: Und welche Projekte gibt es in dem Verein? Was habt ihr da inzwischen auf die Beine gestellt?

AF: Unser Ziel war ja eigentlich, mit geflüchteten Menschen oder mit Menschen, die man zusammenbringen muss –  egal welche Generation und woher sie kommen –  immer zusammen zu bringen, weil man den Menschen ja einen Faden geben kann. Das war die Idee. Und dann haben wir in der Bayernkaserne 2016 in der Lernwerkstatt eine Nähstube aufgemacht und haben den Geflüchteten, die in der Erstunterkunft waren, das Nähen beigebracht. Die Lernwerkstatt war dazu da, den geflüchteten Menschen das deutsche Handwerk näher zu bringen. Es gab noch etwas mit Elektriker, Schreiner, aber es gab keine Frauenprojekte. Dann hat es geheißen: Die Kulturverstrickungen e.V.-  das wäre doch eine schöne Idee, wenn wir da reingehen würden. Was wir gar nicht bedacht haben: In den muslimischen Ländern nähen ja die Männer und nicht die Frauen. Da war der Konflikt, wenn Frauen da waren und Männer dazu kamen, dann durften manche Frauen ja nicht mehr kommen. Da waren wir bis letztes Jahr. Wir sind intern auf dem Gelände der Bayernkaserne umgezogen. Nachdem die C-Krise angefangen hat, war das alles gestrichen. Da war das draußen in der Bayernkaserne das allererste, wo keine Ehrenamtlichen mehr auf das Gelände durften. Wir haben noch ein Nähprojekt, das wir machen im Heide-Treff in Freimann, wo zwei von meinen Schneiderinnen am Vormittag und am Nachmittag immer noch Kurse machen.

Und hier in Türkenfeld wollten wir eigentlich auch, nachdem wir die Nähstube aufgemacht haben, im April sind wir ja eingezogen, täglich drei Kurse machen oder drei Begegnungen machen: vormittags, nachmittags, abends und das 7 Tage die Woche, aber bisher haben wir noch gar nichts gemacht. Der Nähtreff sollte hier im Laden stattfinden. Es war geplant, da wo wir jetzt sitzen, da sollten Nähmaschinen stehen, hier wird gerattert, gemacht und getan, und dahinten wollten wir noch eine Handarbeitsecke einrichten, aber nachdem nichts passiert ist, ist nicht die Notwendigkeit da, dass ich das morgen einrichten muss. Das ist das Problem an der ganzen Geschichte.

AF: Wir haben aber in der Zwischenzeit hier in Türkenfeld, weil da jemand auf uns zukam über die Gemeinde, Kunst in Türkenfelder Gärten gegründet. Das ist eine Aktion, wie es sie in Eichenau und vielen anderen Gemeinden ja auch gibt, dass im Sommer an einem Wochenende die Gärten aufgemacht werden und die Leute ihre Kunst oder Hobbykunstprojekte präsentieren können. Das haben wir letztes Jahr im Juli hier zum ersten Mal gemacht. Das hat einen sehr guten Anklang gefunden. Das machen wir heuer am 21.und 22.Mai wieder hier. Es müssen nicht unbedingt nur textile Sachen sein. Es kann jemand sein, der malt oder was weiß ich. Hier gibt es jemanden in Türkenfeld, der baut U-Boote und lässt die in seinem Dorfweiher rumschwimmen. Oder manche Frauen machen kreative Ansichtskarten oder Glückwunschkarten. Das ist eine tolle Geschichte. Und wir haben eine Glaskünstlerin dabei und sonstige Handarbeitssachen. Was halt jeder kann, soll er halt präsentieren. Das ist die Idee. Am 21. und 22. Mai findet hier ein großes Dorffest statt, weil die Straße neu gemacht worden ist. Dann wäre es ganz nett, wenn wir Künstler finden würden, die noch mitmachen, denen wir einen Gartenanteil bei jemand anderen zuweisen. Künstler, die aus dem Umfeld sind und die sich da angesprochen fühlen, sollen sich bei uns melden, dann können wir ihnen einen Platz geben.

MM: Das Kerngeschäft der Nähstube ist, dass Leute aus dem Ort sich hier treffen und nähen?

AF: Ja, oder auch aus dem Umfeld. Wir schauen, dass wir Bastelkurse mit Kindern machen. Oder dass Omas kommen und den kleineren Kindern Häkeln beibringen. Die Kulturverstrickungen e.V sehen sich als multikulturelle Mehrgenerationenbespielung. Wir haben hier gleich dort oben ein neues Seniorenwohnheim. Da wären einige froh, wenn wir ein paar junge Kinder bringen würden, einige, die dann den jungen Kindern Wissen weitergeben können. So sehen wir uns, dass das zum Spaß an der Freude ist, und dass Handarbeiten nicht nur eine 08/15 Geschichte ist, sondern dass Handarbeiten ein kreatives Projekt ist, das in viele Richtungen gehen kann. Wir haben ja auch mit irgendwas irgendwann einmal angefangen, ob das jetzt eine Stricknadel oder Häkelnadel war, oder die Mama hat genäht.

MM: Menschen in Kontakt bringen –  das ist das Ziel.

AF: Genau. Natürlich ist es so, dass wir dann auch Produkte machen. Letztes Jahr hätten wir fünf Christkindlmarkt-Termine gehabt, einen in München und vier in Türkenfeld. Wir haben vorher produziert ohne Ende. Wir haben gesagt: Dann verkaufen wir Sachen, die wir haben, um die Vereinskasse ein bisschen aufzupeppen. Und dann haben wir gar nichts gemacht. Aber dafür haben wir die Mützen und alles in München an den Heimatstern e.V., mit dem wir sowieso immer zusammen arbeiten, und an die Münchner Tafel abgegeben. Jetzt laufen in München halt viele Obdachlose mit unseren Mützen herum, aber das ist ja eigentlich der Sinn von der ganzen Geschichte.

MM: Fühlen Sie sich ein bisschen als Aktivistin?

AF: Was heißt als Aktivistin? Ich fühle mich halt so, dass ich finde, dass das Leben schon gerecht sein sollte auf irgendeine Art und Weise. Und das ist ja nicht gerecht. Das siehst du jetzt an der C-Krise, dass nicht immer alles gerecht ist, aber auf der anderen Seite: Ein hilfsbedürftiger Mensch freut sich doch, wenn er eine Mütze gerne hätte, und dann stricken oder häkeln wir ihm eine Mütze, dann freut sich der einfach. Und mehr können wir ja oft für den Menschen nicht tun. Aber wir haben das wenigstens erreicht, dass er da eine Freude hat.

Oder dass wir den Dorfweiher bestrickt haben, das ist total witzig. Ich hab mir nie gedacht in den drei Tagen, wo wir das vor ein paar Wochen aufgebaut haben, wie vielen Leuten das ein Lächeln ins Gesicht gezaubert hat. Ich finde, da haben wir das Ziel schon erreicht. Du siehst, dass die Leute in so einer Krise wie jetzt, wo jeder griesgrämig in der Gegend herumläuft, zu lächeln anfangen, wenn sie im Bus vorbeifahren oder an der Tankstelle stehen und raus hüpfen und sagen: Hey, was habt ihr denn da gemacht? Das ist ja total toll! Und wenn überall Fotos im Internet herum kursieren, das finde ich eine tolle Geschichte. Dann haben wir das Ziel erreicht. Oder wenn die Türkenfelder mit ihren Kindern vorbeigehen und die Kinder zu mir sagen:  Mei, aber ich mag so gerne einen Elefanten. Und da ist kein Elefant dabei. Oder die Kinder sagen: Ich mag so gerne ein Schaf. Und es gibt kein Schaf hier. Also die sehen zwar den Zoo, der da aufgebaut ist, aber das Tier, das sie lieben, ist da noch nicht dabei. Und das finde ich auch nett und dann lernen die Kinder Zootiere kennen.

Kulturverstrickungen-Tier

Kulturverstrickungen-Tier

MM: Wie viele Leute haben beim Projekt mitgemacht?

AF: Das Projekt war so, dass wir ungefähr 15 Leute waren, die mitgemacht haben, also, die aktiv mitgemacht haben. Aber wir haben in den letzten Jahren viele Sachen gespendet bekommen: viereckige Grannys oder Schals. Die haben wir da auch mit eingearbeitet. Dadurch ist unser Lager auch ein bisschen lockerer geworden. Aber das war eine gute Geschichte, dass wir da Sachen los geworden sind. Und dass es den Leuten jetzt Spaß macht, dass sie sich das anschauen dürfen.

Kulturverstrickungen-Granny

Kulturverstrickungen-Granny

Kulturverstrickungen-Granny

Kulturverstrickungen-Granny

AF: Wir waren in München immer diejenigen, wenn da irgendwo ein Baum bestrickt worden ist, haben die Leute angerufen und gesagt: Ich hab jetzt wieder einen Baum von dir gesehen. Wo war der? Nein, den habe ich nicht gemacht. Die Leute haben das also immer mit uns assoziiert, wenn sie gewusst haben, wir machen Projekte und Bäume bestricken. Das war eigentlich immer so, dass wir dann in Schulen gegangen sind. Wir waren zum Beispiel in Obergiesing in der Ichoschule, dann waren wir im Altenheim, wir waren am Grünspitz gesessen und im Giesinger Bräu. Je nachdem wo wir waren, haben wir dort Projekte angeleiert. Wir haben Leute kennen gelernt, die uns bei den Aktionen geholfen haben.

MM: Wie erfahren die Leute es dann, wenn es neue Projekte gibt?

AF: Ich rufe die Litanei an Ehrenamtlichen an, die wir noch haben. Wir haben natürlich in der C-Krise einige verloren und wieder einige dazubekommen. Dann rufen wir die an, dass wir Veranstaltungen machen. Oder es geht über Facebook und Instagram. Und die telefonieren sich untereinander dann zusammen.

Vor der C-Krise waren wir immer zweimal im Monat in der Stadtbibliothek Giesing gesessen, war total nett. Da waren wir am Anfang drei Leute und zum Schluss 25. Dann haben wir keinen Platz mehr gehabt, und dann haben die in der Stadtbibliothek gesagt, wir dürften eigentlich gar nicht mehr Leute werden. Denn wir werden immer lauter, je mehr Leute wir werden, und eine Stadtbibliothek ist ja dafür da, dass die Leute in Ruhe irgendetwas machen können. Aber nachdem wir nur zweimal im Monat da waren, ging das einigermaßen. Trotzdem war das toll, das hat sich herumgesprochen. Und es rufen heute noch Damen bei mir an und sagen: Agnes, wann geht jetzt wieder mal was voran? Wann machen wir jetzt mal wieder etwas? Aber da wiederholen wir uns ja alle. Du kannst ja nichts machen, gerade.

MM: Und gerade jetzt wäre es wichtig für ältere Leute mal rauszukommen.

AF: Ich habe schon einige. Wenn ich nach München fahre, bringe ich denen eine Tüte Wolle, die nun zuhause handarbeiten. Daher kommen die ganzen Mützen, die wir an die Obdachlosen abgeben können, weil Damen zuhause sitzen und froh sind, dass sie sinnvoll beschäftigt sind.

MM: Interessante Sachen, die man draußen sieht am Dorfweiher. Und die Reaktion der Leute, wie kann man die dann nachverfolgen? Indem man da hingeht, fünf Minuten stehenbleibt und guckt, was die Leute so sagen?

AF: Beim gestrickten Projekt? Wir haben zweimal bei Sommer im Park mitgemacht. Das ist ein Sommerfest in Giesing. Da war leider das Problem, dass da einer ein paar Wochen später in der Nacht hergegangen ist und alles weggenommen hat. Das war das Böse. Oder wir haben einmal eine tolle Geschichte gemacht: Gegenüber vom ehemaligen Eingang vom Kongresssaal beim Deutschen Museum haben wir einen Baum eingestrickt. Der hatte einen Umfang von 2,40 m. Da musst du erst mal 2,40 m für eine Umrundung um diesen Baum machen. Da haben wir ein Riesenteil gemacht, einen Regenbogen.

Drei Tage später war Christopher Street Day. Und dann hat das scheinbar jemand als Anlass genommen, hat in einer Nacht von unten eine Schere genommen und hat das ganze Teil aufgeschnitten. Es gibt immer die, die sagen: Diese Wolle hätte man sinnvoller benützen können. Und wo ich immer sage: Leute, wir bekommen so viel Wolle gespendet, weil dann irgendwo jemand stirbt oder jemand sagt: Ich habe meinen Arm gebrochen, ich kann jetzt nicht mehr stricken. Und wir bestricken mit der Wolle, die wir gespendet bekommen, nicht nur Bäume, sondern machen auch sinnvolle Sachen damit.

MM: Das ist aber kein Guerilla Stricken?

AF: Das hast du früher einmal gemacht. Aber das machen wir jetzt nicht mehr, weil es besser ist, du besprichst das in München mit dem entsprechenden Bezirksausschuss und die geben dir dann für das Projekt Geld. Damit du dann wieder Kinder einladen kannst und Ehrenamtspauschalen vergeben kannst .Oder vielleicht jemanden in der Zeit für einen 450 Euro Job einstellen kannst. Das ist ja eigentlich sinnvoller. In Untergiesing haben wir einmal im Winter 49 Bäume eingestrickt. Die Giesinger haben sich total gefreut. Oder wir haben an der Tegernseer Landstraße auch einmal ein Projekt gemacht. Die ganze Renaturalisierung vom Sechzger-Stadium mit der Straßenbahn. Da haben wir dann im November 2016 vorher in Schulen und Altenheimen mit den Kindern fingergestrickt, und da sind die Kinder mit der Oma an die Straßenbahnhaltestelle hingegangen und haben der Oma erklärt: Dieses gelbe Teil haben sie alles selbst gemacht. Das finde ich ja nett. So soll es sein. Ob das jedem gefällt? Natürlich gefällt das nicht jedem, aber mir gefällt ja auch nicht alles.

MM: Wir sitzen jetzt hier im Laden.

AF: Ja genau, das war ein ehemaliger Blumenladen.

MM: Ich sehe hier ganz viele Zeitungsausschnitte an der Wand, angeklebt.

AF: Genau. Das sind alte Modezeitungen von 1955, 1953 und 1957, die ich mal auf der Auer Dult gekauft habe. Und ich finde, das passt eigentlich total gut, denn da sind ja viele Anzeigen dabei von alten Nähmaschinen, Modegeschichten und Miss Germany in den 1950er Jahren. Das finde ich nett. Das kommt total gut an bei den Leuten. Das war die allererste Aktion, die wir hier drinnen gemacht haben.

Kulturverstrickungen Wand mit Modezeitschriften

Kulturverstrickungen Wand mit Modezeitschriften

MM: Und dann lagern hier noch Stoffe.

AF: Nachdem wir letztes Jahr aus der Bayernkaserne endgültig ausziehen mussten, haben wir das Ganze zuerst in einem Lager verstaut. Dann habe ich gesehen, dass der Blumenladen aufhört, habe beim Besitzer angerufen. Er hat gesagt, er könne es mir jetzt noch nicht geben, aber in ein paar Wochen. Er hat mich noch einmal angerufen und gesagt: Du passt auf,es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder ich renoviere das alles, dann musst du ziemlich gute Miete bezahlen. Oder ich gebe es dir nicht renoviert und du kannst machen, was du magst. Da habe ich gesagt: Gut, dann nehme ich es nicht renoviert. Das ist ja gerade der Flair von dem Ganzen. Dann habe ich aus dem Lager einiges ausgesucht, einen Transporter bestellt, und dann kamen die hier an. Wir haben drei Monate nur aus Kisten ausgeräumt: Stoffe, Wolle, die Schränke, und das alles eingerichtet. Und die allererste Aktion war eben diese Wand. Das soll auch nicht die letzte sein, sondern dahinten auf der anderen Seite – meine Eltern haben zuhause einen alten Eichenschrank und die Idee ist, dass wir den abbauen, abschleifen und auf shabby machen, die Türen nicht mehr reinmachen ,so dass das wie ein Regal ist – möchte ich so alte Schnittmuster. Alte Schnittmuster, ja, die finde ich auch total witzig Früher haben Schnittmuster anders ausgesehen wie heute. Ich bin im Internet auf die Suche gegangen und habe einige bekommen. Und nachdem der Schrank da steht, brauche ich sie ja nur außen herum.

MM: Und die Leute, die hierher zum Nähen kommen, bringen die ihre Nähmaschine mit?

AF: Nein, wir haben hier alles, auch Nähmaschinen, und wir können in die Vollen gehen.

MM: Werden die Sachen, die genäht werden, verkauft ?

AF: Nein, ursprünglich war gedacht, dass wir richtige Kurse anbieten. Du machst ein Schlampermäppchen, für die Anfänger: Du machst erst einmal eine Einkaufstasche, so diese Grundregeln, also du lernst erst einmal geradeaus nähen. Oder Mütter kommen und sagen: Ich brauche für mein Kind eine Pumphose. Das sollte passieren. Und wir denken darüber immer noch nach. Wir haben jetzt zum Beispiel schon  zugeschnittene Jersey Stoffe für Pumphosen. Da könnten wir jederzeit fünf Frauen einladen, die für ihr Kind eine Pumphose machen wollen. Meine Schneiderin beschäftigt sich zuhause auch gerade mit Patchwork, so dass wir patchworken und quilten können. Wir können auch basteln. Wir hängen nicht an etwas fest. Wenn jetzt fünf Freundinnen kommen und sagen: Ich will xy nähen, können wir ja genauso eine Handarbeitsparty machen, eine Nähparty oder wie auch immer.

Früher habe ich Linkshänder-Malpartys gemacht mit den Kindern. Wir sind nicht festgehängt an irgendetwas, aber immer noch gehemmt durch diese Krise, die wir jetzt haben. Wenn die einmal zu Ende ist, hoffe ich, dass wir etwas anderes machen. Vor 50 Jahren fanden die Olympischen Sommerspiele in München statt und die Stadt München kam auf uns zu: Ob wir uns nicht irgendetwas einfallen lassen können, dass wir da mitmachen. Und da machen wir jetzt nichts mit Handarbeiten, sondern wir suchen Besucherfotos. Es waren ja Millionen von Menschen aus der ganzen Welt bei diesen Sommerspielen und haben sich selber fotografiert. Die Idee ist jetzt: Im Juli findet am Petuelring ein großes Sommerfest statt, da machen wir eine Ausstellung. Jeder, der noch zuhause ein Foto hat von sich selber, von Großeltern oder Eltern, von den Geschwistern oder Tanten, wo man sieht, dass sie am Olympiagelände standen – da wäre es nett, wenn sie uns Fotos zuschicken würden, die könnte man in die Ausstellung mit reinnehmen. Diese Ausstellung heißt Menschen in München 72. Da machen wir einmal was ganz anderes. Über die Stadt München kam ein anderer Veranstalter, der in der Fußgängerzone etwas macht. Der möchte, dass wir die Fotos in der Fußgängerzone mit ausstellen. Es ergeben sich dann also immer mehr Projekte. Und das ist ja auch toll so.

MM: Zu den Sachen, die hier noch so herumstehen. Was sind das für Spulen?

AF: In den Jahren, seit dem wir Kulturverstrickungen e.V haben, rufen oft Enkelinnen an und sagen: Meine Oma in München ist jetzt gestorben, und meine Oma war Meisterschneiderin, und wenn Sie jetzt nicht kommen und die Sachen abholen, landet das auf dem Sperrmüll. Schon bin ich da, weil ich eine Bewahrerin bin. Ich liebe das, wenn ich so alte Spulen, alte Scheren, Strumpfbänder –  also lauter alte Geschichten, die es heute gar nicht mehr so gibt – wenn man das einfach bewahrt. In München die Armen Schulschwestern, die einmal in Obergiesing waren –  immer wenn eine von den Damen gestorben war, hat mich die Schwester Oberin angerufen: Jetzt ist wieder eine Schwester von uns gegangen. Möchten Sie kommen? Ich habe Metz Stopfgarne, original verpackt aus den 70er Jahren. Das ist ja was wert, das hat einen ideellen Wert. Ich finde so etwas toll zum Sammeln. Mein Ziel ist eigentlich immer noch: Ich möchte gerne einmal ein Nähcafé aufmachen und dieses Nähcafé mit solchen Sachen dekorieren.

Kulturverstrickungen Holzspulen

Kulturverstrickungen Holzspulen

Kulturverstrickungen Seifen Waschmittel

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AF: Es gibt in München einen alten Handarbeitsladen in der Parkstraße, den haben sie zu einem Café gemacht. Sie verkaufen auch Second Hand Sachen, Schmuck. Und du bekommst auch französische Tarte und gutes Essen. Der Laden sieht immer noch so aus. Wenn du eintrittst, im ersten Moment meinst du, das ist immer noch dieser Handarbeitsladen mit den ganzen Schränken, ein Traum. Und so etwas in der Art, das wäre immer noch mein Ziel, und ob das jetzt in Türkenfeld, im Raum Fürstenfeldbruck oder in München ist, ist mir eigentlich egal.

Ich finde immer: Omas machen die besten Kuchen. Und die muss man bewahren, diese Rezepte. Irgendwann gibt es die nicht mehr. Meine Mama ist vor 1 1/2 Jahren gestorben, hat aber die Originalrezepte aufgeschrieben. Das ist einfach so wichtig, gerade in der heutigen Zeit, wo die Leute nur noch meinen: nur noch schneller, immer mehr, immer billiger. Die werden sich irgendwann bewusst werden, dass das Alte viel mehr Bestand hatte. Weil die Alten gewusst haben, dass man aus wenig viel machen kann, und das ist eigentlich das, was ich mir denke, ein Teil der Kulturverstrickungen e.V ist: zu bewahren. Und da ist es mir egal, ob das ein Rezept aus Afghanistan ist, das man bewahren muss, oder irgendeine Nähtechnik aus Afghanistan, die wichtig ist, oder ob das etwas ist aus Nigeria, oder ob das aus Kanada oder Südamerika kommt oder von uns. Das ist mir egal, Hauptsache man bewahrt so etwas.

Kulturverstrickungen Bär

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Kulturverstrickungen Vogel

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Kulturverstrickungen Frosch

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Kulturverstrickungen Fisch

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Kulturverstrickungen Hund

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